Weekly Reports of TRANSDRIFT V

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1. Wochenbericht

Liebe Freunde und Kollegen,

für die Teilnehmer der TRANSDRIFT-V-Expedition, die sich noch nicht an Bord der POLARSTERN befanden, begann die Reise am Samstag, den 25. Juli mit dem Flug nach Sankt Petersburg. Da sich der ursprünglich für Sonntagnachmittag vorgesehene Charterflug nach Tiksi verschoben hatte, blieb allen genügend Zeit für Sightseeing in Sankt Petersburg, das sich mit Sonnenschein und warmen Temperaturen von seiner schönsten Seite zeigte.

In der Nacht zum Montag, den 27. Juli startete dann das Charterflugzeug, eine TU 134, um 2:00 Uhr mit den 18 deutschen und 22 russischen Teilnehmern in Richtung Tiksi, wo wir nach einem problemlos verlaufenen Flug – selbst die Versorgung war dank der Kollegen aus Sankt Petersburg gut – um ca. 16:00 Uhr eintrafen und zum Hafen gebracht wurden. Dort erwartete uns Volker Rachold (AWI-Potsdam) mit einem Teil der LENA-98-Expeditionsteilnehmer, die die Barkasse DUNAY, mit der wir zur POLARSTERN gebracht werden sollten, für ihre Expedition nutzen. Zunächst gab es jedoch die ersten kleineren Schwierigkeiten: Die POLARSTERN war zwar schon bei einem Hubschrauberüberflug gesichtet worden, aber es gab noch keine Funkkontakt.

Durch die Versuche der DUNAY, mit der POLARSTERN Kontakt aufzunehmen, hatten wir Zeit, Tiksi zur Abwechslung mal bei strahlendem Sonnenschein und warmem Südwind zu genießen. Schließlich ging es dann doch auch ohne Funkkontakt los in Richtung der Position, in der die POLARSTERN vermutet wurde. Der Funkkontakt konnte später hergestellt werden, und weshalb es zunächst nicht geklappt hatte, blieb unklar, denn auch die POLARSTERN hatte ständig versucht, mit Tiksi bzw. der DUNAY Kontakt aufzunehmen. Die Fahrt auf der kleinen Barkasse dauerte ca. fünf Stunden, in denen es zunehmend kälter wurde.

Da nur für einen kleinen Teil der Fahrtteilnehmer ein Platz in der Kajüte vorhanden war, waren wir komplett durchgefroren, als wir schließlich bei der POLARSTERN längsseits gehen konnten. Dort wurden wir von den übrigen 17 Expeditionsteilnehmern, den Teilnehmern des 1. Fahrtabschnitts und der Mannschaft mit einem Abendessen empfangen. Auch wenn die Überfahrt etwas „zugig“ war, hat doch logistisch alles einwandfrei geklappt, und wir sind nur geringfügig später (10 Minuten) als geplant an Bord gegangen. Nach einem kurzen Abschiedsumtrunk auf dem Heli-Deck war die Reihe an den Rückkehrern von Fahrtabschnitt 1a, an Bord der DUNAY zu gehen und die sicherlich kalte Fahrt nach Tiksi anzutreten. Wie wir heute erfahren haben, sind alle wohlbehalten gestern abend in Deutschland eingetroffen.

Aufgrund der guten logistischen Vorbereitung des Crew-Wechsels durch die russischen Kollegen und die Teilnehmer der LENA-98-Expedition konnten wir unsere erste Station (74°30`N, 135°28,8`E) mit ozeanographischen Messungen bereits am 28. Juli um 17:00 Uhr durchführen. Seitdem läuft die Vermessung des Meeresbodens durch Seismik, Hydrosweep und PARASOUND. Zurzeit bewegen wir uns auf das nördliche Lena-Delta zu. Die erste große Station ist für morgen, Freitag, den 31. Juli, geplant. Alle sind vollauf mit den Vorbereitungen für die Stationsarbeit beschäftigt und schon gespannt auf den ersten richtigen Einsatz.

Wir sind bisher auf für die Jahreszeit ungewöhnlich viele Eisfelder mit teilweise sehr dicken Schollen gestoßen, was zu einigen Kurswechseln geführt hat, haben dafür aber überwiegend schönes, recht sonniges Wetter und können viele Vögel und sogar Polardorsche beobachten. Außerdem wurden noch Robben und ein Walross gesichtet.

Herzliche Grüße

B. Rohr, H. Kassens und alle Expeditionsteilnehmer

 

2. Wochenbericht

Nach zwei Wochen an Bord POLARSTERN haben wir bereits ein umfangreiches, fächerübergreifendes Arbeitsprogramm mit bisher 52 Stationen durchgeführt. Dazu gehört auch ein dichtes Netz von detaillierten Vermessungen des Meeresbodens. Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich überwiegend auf den Flachwasserbereich von 20 bis 150 m Wassertiefe. Ausnahmen waren eine Station in 1.500 m und die nördlichste Station in fast 2.000 m (78°02`N, 129°34`E) Wassertiefe, die den Abschluß eines Süd-Nord-Profils durch die gesamte Laptewsee bildeten. Ungewöhnlich schwere Eisbedingungen haben uns zwar mitunter zu Umwegen gezwungen, aber bisher konnten, abgesehen von der immer noch von einer Festeisdecke bedeckten südöstlichen Laptewsee, fast alle geplanten Vermessungsprofile und Stationen angelaufen werden.

Das Forschungsprogramm umfaßt Untersuchungen der Wassersäule und des Meeresbodens bis zu 500 m unterhalb des Meeresbodens. Gearbeitet wird dabei rund um die Uhr, wobei sich akustische Vermessungen und Profile zur Untersuchung der Wassersäule mit Langzeitstationen von ca. 9-10 Stunden Dauer abwechseln. Bei diesen Stationen arbeiten dann fast alle Wissenschaftler parallel an Deck: Vom Vorschiff aus werden akribische Untersuchungen der Wassersäule durchgeführt, das Arbeits- und das Achterdeck gehören den Kollegen, die sich mit dem Meeresboden beschäftigen. Während die Winden fast im Gleichtakt fieren und hieven, kommen im 30-Minuten-Abstand immer neue Proben an Deck. Dazwischen versuchen die Geophysiker, Zeit und ein Plätzchen zu finden, um ihre Geräte für den anschließenden Einsatz zu warten oder zu reparieren. Für viel Aufsehen hat gleich in der ersten Woche das Aussetzen einer hochkomplizierten Meeresbodenmeßstation in 30 m Wassertiefe gesorgt, die auf den Namen LENA getauft wurde und Ähnlichkeiten mit einem kleinen Raumschiff aufweist. Mit dieser 500-kg-schweren Meßstation sollen während der nächsten zwölf Monate Strömung, Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffkonzentration, Eisbedeckung und andere Umweltdaten registriert werden. Spannend wird es im nächsten Sommer, wenn die Meßstation mit einer weiteren, noch auszubringenden Bodenstation wieder geborgen werden soll.

Nach der Probennahme setzen sich die Forschungsarbeiten mit ersten Analysen in den Labors fort. Die Biologen haben sich dabei etwas „Besonderes“ ausgedacht – sie bringen zu Beginn jeder Langzeitstation mit Hilfe eines Schlauchbootes eine Verankerung in der Nähe der POLARSTERN aus. Diese Experimente sollen z. B. über das Algenwachstum unter natürlichen Bedingungen Aufschluß geben. Gegen Ende der Station, vor allem im driftenden Packeis, sind auf der Brücke dann alle mit guten Augen gefragt, um die mit einer roten Boje markierte Verankerung im Eis wiederzufinden. Bei dem ersten Einsatz dieser Verankerung bekamen wir Besuch von einem Eisbären, der zunächst an die Bordwand kam, um uns zu beobachten, und später durch die rote Boje magisch angezogen wurde. Die Verankerung hat die nicht allzu zaghaften Untersuchungsmethoden des Eisbären unbeschadet überstanden, lediglich ein Abdruck seiner Tatze erinnert an seinen Besuch.

Die bisher durchgeführten Forschungsarbeiten haben bereits zu sehr interessanten und vielversprechenden Ergebnissen geführt. So konnten z.B. trotz des gefrorenen Meeresbodens, der sich in der südlichen Laptewsee schon 45 cm unter dem Meeresboden durch Eiskristalle in einem Kastengreifer ankündigte, zum ersten Mal längere Sedimentkerne entnommen werden, darunter ein 9,50-m-langer Sedimentkern aus 120 m Wassertiefe, welcher die Arbeitsgruppen wohl noch viele Jahre beschäftigen wird. Zusammen mit der akustischenVermessung des Meeresbodens wurden auch erstmals in einem Seegebiet mit Dauerfrostboden Temperaturmessungen direkt am Meeresboden durchgeführt. Hierbei wird ein 3-m-langes Thermometer in den Meeresboden gesenkt, um dann ca. zehn Minuten lang die Temperaturverteilung am Meeresboden zu erfassen. Diese Messungen haben gezeigt, daß der Meeresboden bis zu einer Wassertiefe von 120 m gefroren ist.

Die Atmosphäre an Bord ist sehr gut. Dazu trägt vor allem auch das gute Verhältnis zwischen Mannschaft und den Wissenschaftlern bei, die Hand in Hand arbeiten, um die z.T. komplizierten Geräteeinsätze zu meistern. Dabei greift die Besatzung für die Kommunikation mit den russischen Kollegen immer mehr auf alte Russischkenntnisse zurück, während die Wissenschaftler ihre ersten „Gehversuche“ in der russischen bzw. deutschen Sprache machen.

Zurzeit befinden wir uns wieder auf dem Weg in den Süden, um unsere Arbeiten in der östlichen Laptewsee fortzusetzen. Dabei fahren wir durch große Packeisfelder mit bis zu 2-m-mächtigen Eisschollen. Bei -2°C und wechselnder Bewölkung mit einzelnen Schneeschauern sorgt ein kräftiger Wind an Deck für unangenehme Temperaturen und Glätte.

Herzliche Grüße aus der Laptewsee,

H. Kassens, B. Rohr und alle Expeditionsteilnehmer

 

3. Wochenbericht

Zurzeit befinden wir uns auf dem Rückweg nach Tromsø und passieren gerade in dichtem Nebel den nördlichsten Punkt des eurasischen Kontinents, Kap Tscheljuskin. Die Forschungsarbeiten mussten leider wegen des langen Rückweges nach insgesamt 81 Stationen heute früh um 2:25 Uhr Moskauer Zeit mit einem Agassiz-Trawl abgeschlossen werden. Es war eine sehr spannende Expedition mit vielen Resultaten, die in dieser Form keiner erwartet hätte. Im Anschluß an die Expedition wartet viel Arbeit auf das russisch-deutsche Team, um all die Proben zu analysieren und die schon vorhandenen Daten auszuwerten. Zu den wichtigsten Highlights der Expedition gehören sicherlich die folgenden Beispiele.

Ideal waren während dieser Expedition die Bedingungen für die Meereschemiker und Ozeanographen. Sie konnten entlang mehrerer Süd-Nord-Profile durch die Laptewsee drei Jahreszeiten quasi gleichzeitig untersuchen: im Süden, geprägt durch das Flußwasser der Lena, Sommerbedingungen, in der zentralen Laptewsee den Frühling und im Norden, der immer noch von großen Packeisfeldern bedeckt war, den Winter. Diese einmaligen Bedingungen haben zu sehr interessanten Ergebnissen geführt, die Anlaß für viele Spekulationen und Diskussionen waren und sind. So haben die detaillierten Messungen gezeigt, daß in den submarinen Rinnensystemen, die vom Lena-Delta bis in den Arktischen Ozean führen, kaltes Bodenwasser, welches im Winter östlich des Lena-Deltas gebildet wurde, jetzt in den Arktischen Ozean abfließt, während parallel dazu Wasser aus dem Arktischen Ozean einfließt. Besonders interessant ist dabei, daß sich diese Prozesse in den verhältnismäßig schmalen Rinnen in gleicher Wassertiefe knapp über dem Meeresboden abspielen, wobei das kalte Bodenwasser auf der Ostseite der Rinnen abfließt, die arktischen Wassermassen dagegen auf der Westseite einströmen. Erklärungen für dieses Phänomen versprechen sich die Ozeanographen von den Bodenmessstationen, die bis Sommer 1999 stündlich Temperatur, Salzgehalt und Strömungen registrieren sollen. Auch die zweite Stationen (auf den Namen YANA getauft) wurde am 13. August um 12:37 Uhr erfolgreich ausgebracht. Die ozeanographischen und meereschemischen Messungen haben trotz arktischer Kälte viel Schweiß gekostet. Insgesamt kam es zu 78 Einsätzen der Sonde zur Messung von Temperatur und Salzgehalt in der Wassersäule und zu unzähligen Wasserproben, die aus den unterschiedlichsten Wasserstockwerken entnommen wurden. Damit waren sechzehn Wissenschaftler rund um die Uhr beschäftigt. Besonders kräftezehrend waren dabei die Arbeiten vom Vorschiff der POLARSTERN, die von den Wissenschaftlern mit Hilfe einer Handwinde durchgeführt wurden.

Spannende Ergebnisse zeigen auch die Messungen der aktuellen Methanbildungsaktivität im Meeresboden. Dazu wurden Meeresbodenprofile bis 9 m Länge im Detail untersucht. Erstmals konnte gezeigt werden, dass ab 3 m unterhalb des Meeresbodens bisher nicht identifizierte, an niedrige Temperaturen angepasste Bakterien existieren. Sie tragen zu den vielfältigen Prozessen bei, die schließlich zur biogenen Methanbildung führen. Ihre Nahrung besteht aus winzigen organischen Sedimentpartikeln, wie z.B. Pflanzenresten, die sie unter komplizierten Bedingungen verdauen. Die parallel dazu gemessene erhöhte Methankonzentration knapp unterhalb des Meeresspiegels ist wahrscheinlich das Resultat dieser Organismustätigkeit. Ob und wieweit diese Bakterien, die großräumig in der Laptewsee auftreten, Einfluß auf die Klimaentwicklung (Treibhauseffekt) haben, sollen weiterführende Untersuchungen nach Beendigung der Expedition zeigen.

Bei Lufttemperaturen von 0 bis -1°C ist es überwiegend neblig, doch ab und zu gab es auch sonnigere Abschnitte, die uns ein schönes Panorama mit Packeisfeldern und Eisbergen beschert haben. Mittlerweile stoßen wir immer häufiger auf mächtige Eisfelder, die aber für die POLARSTERN zurzeit kein Problem darstellen. Aktuelle Satellitenbilder haben außerdem gezeigt, daß unsere geplante Route durch die Wilkizkistraße, eine Meerenge zwischen Laptew- und Karasee, weitgehend eisfrei ist.

Herzliche Grüße von Bord der POLARSTERN,

H. Kassens, B. Rohr und alle Expeditionsteilnehmer