Daily Reports of TRANSDRIFT XX

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Tiksi, 23. März 2012, -30°C, sonnig

Gut in der sibirischen Arktis angekommen

Nach fast zweitägiger Anreise sind wir am Dienstag, den 21. März, mit nur 15 Minuten Verspätung in Tiksi angekommen. Wir sind seit Mittwoch dabei, unsere Geräte auszupacken, aufzubauen und die Labors einzurichten. Montag planen wir den ersten Hubschrauberflug in Richtung Laptewsee-Polynja.

Die Expeditionsteilnehmer

 

 


Thomas Krumpen vom AWI und Alfred Helbig von der Universität Trier bereiten ihre Geräte für den ersten Einsatz auf dem Eis vor. Platz genug steht dieses Mal dafür in der geheizten Gerätehalle des Lena-Delta-Reservats zur Verfügung, die wir seit Beginn der Expedition in Beschlag genommen haben.


Immer dabei ein kleines Hunderudel. Die Hunde bewachen auch nachts unsere Geräte in der Gerätehalle des Lena-Delta-Reservats.


Zum dritten Mal in Tiksi ist der EM-Bird des AWI. Pünktlich und ohne Schäden ist das Gerät heute eingetroffen. Der so genannte Bird ist bereits einsatzbereit, und die ersten Eisdickenmessungen sollen nächste Woche vom Hubschrauber aus durchgeführt werden.

Tiksi, 31. März 2012

Erste Forschungsarbeiten in zwei Eis-Camps: Minus 24°C und Wind mit 12 m/s aus Ost ergeben gefühlte minus 39°C. Diese Kälte macht die Stations¬arbeiten auf dem Eis zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Besonders schwer hatten es Alfred Helbig und Daniel Kramer (Universität Trier) beim Aufbau der ersten meteorologischen Mess¬station „Mishka I“. Auch die Eisphysiker Igor Sheikin und Leonid Panov (Institut für Arktis- und Antarktisforschung, Sankt Petersburg) mussten bis zu 6 Stunden ungeschützt auf dem Eis arbeiten. Sie wollen die Stabilität des Festeises bestimmen und dazu müssen sie Lö¬cher in das Eis bohren, 10-Meter-lange Gräben aussägen und viele komplizierte Messungen durchführen. Besser hatten es die Ozeanographen, Biologen und Meereschemiker, die im „beheizten“ Zelt arbeiten konnten. Aber auch hier dampften die Köpfe und die feinmaschigen Netze der Biologen waren schnell steif gefroren.

Erkältungswelle in Tiksi: Kindergärten, Schulen und die Musikschule Tiksi wurden in dieser Woche wegen einer Erkältungswelle geschlossen. Einige der Expeditionsteilnehmer hat es auch schon erwischt. Gut, dass Wochenende ist und die Ruhe und viele Zitronen anscheinend ihre Wirkung zeigen, so dass am Montag hoffentlich alle wieder gesund sind.


Ein Großteil der Forschungsarbeiten auf dem Festeis wird in einem fast 20-m2-großen und beheizten Klappzelt durchgeführt. Jens Hölemann (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven) und Torben Klagge (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) führen ozeanographische und meereschemische Messungen in der Wassersäule durch. Dazu haben sie ein Loch (Durchmesser 20 cm) in das 130-cm-dicke Festeis gebohrt. Durch dieses Loch werden die Messgeräte bis zum Meeresboden in 23 m Wassertiefe gefiert.


Auf dem Festeis der östlichen Laptewsee haben wir drei Eis-Camps (Camp North, Central Camp, Camp South) eingerichtet. Hier werden wir in den nächsten Wochen me¬teorologische, ozeanographische, meereschemische, eisphysikalische, biologische und sedimentologische Messungen durchführen. Dazu haben wir verschiedene Messgeräte aufgebaut. Die Eis-Camps werden im Laufe der Expedition mehrfach angeflogen. Ziel ist es, Auswirkungen des Klimawandels in der sibirischen Arktis zu beschreiben.

Mein erstes Eiscamp am 26. März 2012

Nach den ersten zwei Helikopterflügen zu unseren Stationen auf dem Eis der Laptewsee sowie einem Versuch, eine dritte Station mit dem LKW auf dem Eis zu erreichen, bietet sich jetzt ein Wochenende Zeit, um alle Geräte sowie die Teilnehmer der Expedition wieder auf Vordermann zu bringen.

In diesem Tagesbericht gebe ich nun einen kleinen Einblick wie ich meine ersten beiden Tage weit draußen auf dem Eis der Laptewsee erlebt habe.

Die beiden Helikopterflüge am Montag und Dienstag fanden bei perfekten Wetterbedingungen statt und unter Polarforschern darf man sich über -38°C (gefühlte Temperatur) leider nicht beschweren.

Nach etwa jeweils 1½ Stunden Flugzeit haben wir unsere Station erreicht, und es konnte mit dem Entladen des Helikopters begonnen werden. Das erste, was nun folgt, ist das Aufbauen des Zeltes, in dem die Biologen und Chemiker sowie die Ozeanographen arbeiten können. Außerdem bietet das Zelt etwas Schutz vor den eisigen Temperaturen und dem Wind, der gegen Abend an beiden Tagen auffrischte und das Ar¬beiten nicht erleichterte.

Die Arbeit im Allgemeinen ist auf dem Eis ziemlich anstrengend, da man so dick in Klamotten eingepackt ist, dass man sich kaum bewegen kann. Aber besonders filigrane Dinge, wie kleine Schrauben anbringen oder Kabelbinder festziehen, fallen bei diesen Temperaturen sehr schwer. Sobald ich die Handschuhe ausgezogen hatte, hatte ich nur ein paar Minuten Zeit, bis der eisige Wind meine Hände so sehr abgekühlt hatte, dass ich sie nicht mehr gespürt habe.

Nach etwa sechs Stunden abwechselnden Schwitzens und Durchfrierens ist es dann geschafft – Eislöcher sind gebohrt, alle Wasserproben sind genommen, Messgeräte sind ausgesetzt und alle Eiskerne sind sicher verstaut. Nun können wir uns, nachdem alles wieder im Helikopter verstaut ist, auf den Rückweg machen.

Im Namen des gesamten Teams

Bennet Juhls

 

 


Helikopter kurz nach der Landung – es wird entladen.


Bennet und Torben sind dabei, die Eisbohrer zu starten, um die ersten Eislöcher zu bohren, damit die anderen Arbeitsgruppen ihre Arbeit beginnen können.


Auch die Meereschemiker, Jens und Andrey, können nun im Zelt ihre Wasserproben nehmen.


Die Arbeitsgruppe der Eisphysik (Leonid und Igor vom Institut für Arktis- und Antarktisforschung, Sankt Petersburg) startet ihre Versuche auf dem Eis.


Bennet und Torben bereiten die ozeanographischen Messgeräte vor.

 

 

Tiksi, 4. April 2012

Kurze Nächte, eisige Kälte und wolkenloser Himmel über Tiksi: Mit minus 32°C war Tiksi heute Spitzenreiter in der Arktis. Selbst am Nordpol war es wärmer. Seit Beginn der Expedition liegt Tiksi im Einflussbereich eines stabilen Hochdruckgebietes und wir hoffen sehr, das diese für die Forschungsarbeiten hervorragenden Wetterbedingungen noch ein paar Wochen anhalten werden.


Die Kälte macht uns ganz schön zu schaffen, und ohne spezielle Polar-kleidung wären die Forschungsarbeiten auf dem Eis nicht durchzuführen. Daniel Kramer von der Universität Trier ist das erste Mal dabei.


Igor Sheikin und Leonid Panov vom AARI in Sankt Petersburg müssen für ihre eisphysikalischen Experimente stundenlang und ohne Schutz auf dem Eis arbeiten.

 

 

Tiksi, 10. April 2012

Flugfreie Woche

Nachdem alle Stationen ein erstes Mal angeflogen wurden, stand nun schließlich eine Woche ohne Flüge auf das Eis an. Das ist für einige Teilnehmer in erster Linie natürlich eine willkommene Erholungspause und eine Möglichkeit, mitgebrachte Arbeit zu erledigen. Wenn man davon aber genug hat, bedarf es in Tiksi ein wenig Kreativität, sich zu beschäftigen, da dieser Ort nicht sehr reich an Kinos, Sportstätten oder sonstigem ist. Also machten sich ein paar Teilnehmer der Expedition auf den Weg, die Gegend um Tiksi etwas zu erkunden.

Unser Ziel war eine kleine Insel, die ca. 7 km entfernt liegt und von Tiksi aus zu sehen ist. Nach etwa zwei Stunden Fußmarsch bei wunderbarem Wetter (Son-nenschein, -20°C) über das Eis der Bucht von Tiksi hatten wir eine Sandbank kurz vor der Insel erreicht. Auf dieser Sandbank liegen etwa fünf bis zehn alte Schiffe, die dort seit über 60 Jahren vor sich hin rosten. Es war ein richtiges Abenteuer, diese Schiffe von innen und außen zu erkunden, wenn die riesigen Schneewehen es denn überhaupt ermöglichten.

Nachdem wir schließlich auf fast jedem Schiff herumgeklettert waren sowie noch ein paar alte Flugzeuge (oder das, was davon übrig geblieben ist) auf der Insel entdeckt hatten, ging es auf den Rückweg.

So lässt sich die willkommene Freizeit in Tiksi wirklich gut aushalten.

In diesem Sinne beste Grüße im Namen aller Expeditionsteilnehmer,

Lera, Torben, Thomas und Bennet

 

 


Torben Klagge (GEOMAR) und Valeria Selyuzhenok (Doktorandin, AWI) sind dabei, eines der Schiffe genauer zu erkunden.


Beeindruckender „Schiffsfriedhof“ auf einer Sandbank nahe Tiksi.


Bei wunderbarem Wetter, aber eiskalten Temperaturen über das verschneite Eis der Bucht von Tiksi.

 

 

Tiksi, 11. April 2012

Darauf hatten wir gewartet! Mit dem Wind aus Süden ist das Packeis nach Norden gedriftet und zwischen dem küstennahen, stabilen Festeis und dem zurückweichenden Packeis hat sich eine Fläche mit offenem Wasser und jungem Eis – eine Polynja – gebildet. Bei -20 Grad und einem fast zweistündigen Flug über eine endlos erscheinende Eiswüste löst der Anblick der offenen Wasseroberfläche immer wieder Erstaunen und Faszination aus. Aber wieso bildet sich die Polynja gerade an dieser Stelle? Warum liegt die Kante des Festeises dieses Jahr viel weiter südlich als in den vergangenen Wintern? Wie stabil ist das Festeis wirklich? Diesen Fragen wollen wir nachgehen. Dazu haben wir an zwei Positionen ozea¬nographische Messgeräte im Wasser unter dem Eis verankert die die Strömung, Temperatur und den Salzgehalt über einen Zeitraum von drei Wochen aufzeichnen sollen. Eine dieser Verankerungen liegt in der Nähe der Festeiskante. Wir haben diese Position mit Sorgfalt und Vorsicht ausgewählt, denn nur ungern würden wir mit ansehen wollen, dass ein Stück der Festeiskante mitsamt unserer Verankerung abbricht, und die Geräte im Wert eines Mittelklassewagens verschwinden. Anscheinend war unsere Auswahl gut, denn unsere Geräte sind nach knapp zwei Wochen immer noch genau dort, wo wir sie verankert haben. Bis jetzt …

 

 


Der Blick aus zirka 100 m Höhe aus dem Fenster des Hubschrauber auf die Polynja und die Kante des Festeises. Zu kalt zum Baden (-1°C), aber für die Forschung genau richtig.

Tiksi, 11. April 2012

1. Planung


Schwer bepackt ... nicht nur der LKW.

 

Eine sichere Route wurde vom Ferner¬kundler Thomas Krumpen (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, AWI) und dem Geologen Jens Hölemann (AWI) mit Hilfe von Satellitenbilder ausgespäht und uns in unserem GPS als Route zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen natürlich weitere Sicherheitsmaßnahmen wie Satellitentelefon und Notfallausrüstung. Auch der regelmäßige Kontakt mit der Expeditionsleitung sorgte für ein sicheres Gefühl während der ganzen Tour. Einerseits dienten die Telefonate zur wissenschaftlichen Beratung, andererseits aber auch, um sicherzustellen, dass man in Tiksi weiß, wo das Team ist und ob es Hilfe benötigt.

Mit an Bord waren der Biologe und Teamleiter Alexander Gukov (Lena-Delta-Reservat), Fahrer und Jäger Konstantin (Lena-Delta-Reservat), die Eisphysiker Leonid Panov (Institut für Arktis- und Antarktis¬forschung, Sankt Petersburg, AARI) und Igor Sheikin (AARI). Als fünfte Person war ich als Student der Umweltwissenschaften von der Uni¬versität Trier dabei.

 

 

 

 

Die Idee, fünf Personen in einem LKW für mehrere Tage auf das Meereis zu schicken, war ganz praktischer Natur. Da die an der Expedition teilnehmenden Eisphysiker für ihre Experimente viel Zeit benötigen und entsprechend häufige Hubschrauberflüge zu viel Geld gekostet hätten, hat sich die Expeditionsleitung dazu entschlossen, ein kleines Team in einem speziell für die Arktis ausgerüsteten 12-Tonner zum "Camp South" zu schicken. Der Name rührt sehr simpel von der geographischen Position: Das südlichste der drei Camps, in denen wir arbeiten. Für diese Tour lag meine Aufgabe in der Vorbereitung des Aufbaus der meteorologischen Stationen und der Durchfüh¬ung einiger Messungen der Eisdicke.

 


Das Team (von links): Leonid, ich, Igor, Alexander und Konstantin.

2. Unterwegs

Am Sonntag, den 1. April 2012, fuhren wir um 8:30 Uhr unter blauem Himmel los. Die ersten zwei bis drei Stunden führten uns südwärts über eine Art Eisautobahn, die von Einheimischen als Verbindung zwischen verschiedenen Ortschaften genutzt wird. Natürlich ist das keine Autobahn im klassischen Sinne, aber verhältnismäßig gut und einfach zu befahren (mit bis zu 60 km/h). Der Schlenker nach Süden war nötig, um einige Eisrücken zu umfahren, die selbst einem so kräftigen LKW Probleme machen können. Als wir dann die glatte Piste verließen, ging es sozusagen über die Landstraße weiter. Zwar immer noch recht glatt, aber schon mit einigen Schneeverwehungen, die nicht ganz so einfach zu passieren waren. Hier ging es auch nur noch mit max. 15-20 km/h voran ... meist eher langsamer. Es wurde einige Male die Eisdicke gemessen ... immerhin ist man mit schwerem Gerät unterwegs und da will man schon wissen, ob das Eis auch stark genug ist, um die Last zu tragen. Unter dem Eis ist ja der Ozean, und schwimmfähig ist der LKW nun auch wieder nicht. Unsere Messungen lagen immer über 150 cm Eisdicke und somit in einem sicheren Bereich. Um zurück in unserem Arbeitsgebiet zu kommen, ging es dann wieder drei Stunden nach Norden. Dort angekommen haben wir eine für die Experimente günstige Stelle gesucht und dann den Daheimgeblieben Ankunft und Position gemeldet. Die Eisdicke betrug 170 cm und es waren -20°C Lufttemperatur.

Route von Tiksi zum Camp South und der Lageplan des Camps.

Im Bild links: Der durch Luftspiegelung veränderte Verlauf der Horizontlinie. Rechts der Sonnenuntergang am ersten Abend.

 

Mit den ersten Arbeiten wurde begonnen, und in der Ferne gab es erst einige Luftspiegelungen zu bewundern und später einen schönen Sonnenuntergang. Luftspiegelungen sind an große vertikale Temperaturgradienten in der bodennahen Luftschicht gebunden. In diesem Fall kühlte die Schneeoberfläche sehr stark aus und die Lufttemperatur nahm mit der Höhe zu. Dies war mit einer entsprechenden starken vertikalen Änderung der Luftdichte verbunden. Die Lichtstrahlen verlaufen nun in gekrümmten Bahnen. Dadurch werden entfernte Objekte unter einem anderen Blickwinkel wahrgenommen.

Gegen Mitternacht ging es dann ins Bett. Im Wohnteil des LKWs hatten vier von uns Platz. Konstantin, unser Fahrer, hatte sein „Einzelzimmer“ im Führerhäuschen. Geschätzt war die Wohnfläche 2,5x3 m, und die Betten waren so schmal, dass man sich nicht einfach mal umdrehen konnte. Einer unbedachten Bewegung im Schlaf wäre unweigerlich ein Sturz auf den Frühstückstisch gefolgt ... Frühstück im Bett sozusagen. Trotz dieses Risikos und des die ganze Nacht durchlaufenden Motors (um es in der Kabine warm zu halten) haben all gut geschlafen, und am nächsten Tag ging es um 6.30 Uhr los.


Unser Wohn- und Schlafzimmer.

3. Leben im Camp South

Am zweiten Tag ging jeder erst mal seinen eigenen Aufgaben nach. Alexander bereitete die bio¬logischen Experimente vor und baute netterweise ein Klohäuschen ... naja ... mehr einen Wind¬schutz. Aber sehr hilfreich ...

Igor und Leonid begannen mit ihren Vorbereitungen, und ich bau¬te die Grundgerüste für die zwei Wetterstationen und unser kleines Kraftwerk auf. Letzteres bestand aus zwei Solar-Paneelen und einer Batterie zur Versorgung der Station für Messungen von Temperatur, Wind und verschiedener Strahlungsterme. Die zweite Station misst zusätzlich weitere Parameter wie Feuchte und Oberflächentemperatur. Redundante Messungen einiger Größen sind wichtig, da immer mal ein Sensor ausfallen kann. Oder, wie vor einigen Jahren geschehen, sich ein Eisbär als Hobbymeteorologe versucht und dabei leider nicht alles ganz funktionsfähig zurückgelässt. Seitdem werden die Stationen mit Diesel eingerieben. Laut den Einheimischen soll das ganz gut helfen. Gegen akuten Eisbär-Besuch war Konstantin, der neben seiner Tätigkeit als Fahrer auch Jäger ist, mit einem Gewehr bewaffnet. Zuerst hätten wir uns allerdings in den LKW zurückgezogen ... man möchte ja als Polarforscher Knut möglichst in Ruhe lassen. Immerhin sind wir in seinem Lebensraum ... überlegen Sie mal, bei Ihnen würde jemand im Garten stehen, und wenn Sie gucken, was der da so treibt, fängt der auch noch an zu schießen ... glücklicherweise kam es aber zu keinerlei Zwischenfall.

 


Das Klohäuschchen.


Links: Automatische Wetterstation. Rechts: Strahlungsstation und Energieversorgung. Das Bild entstand am Mittwoch, dem 4. April 2012. Im Hintergrund ist der Hubschrauber zu sehen, mit dem der Rest der Expedition einflog.

Der erste Arbeitstag ging recht erfolgreich zu Ende, und es gab wieder einen tollen Abendhimmel. Eines der Instrumente wurde als Teleskop umfunktioniert, und wir konnten einen 3/4-Mond betrachten.

Leider hatten wir in unserer Gruppe keine Sprache, die von allen gemeinsam gesprochen wurde. Deshalb habe ich teils auf Englisch, teils auf Deutsch geredet. Lediglich mit Konstantin konnte ich mich kaum unterhalten, da er nur Russisch spricht und ich leider nicht. Aber mit Händen, Füßen und einigen Geräuschen ging auch das. Oder einer der anderen hat für uns übersetzt. Es herrschte eine lockere Atmosphäre und die Herzlichkeit der Russen hat mich beeindruckt.

Ursprünglich war geplant, dass der Hubschrauber mit dem Rest der Truppe schon am Dienstag kommt, aber wie das auf Expeditionen nun mal so ist, kommt immer alles anders. Deshalb war mein Arbeitstag teils damit gefüllt, dass ich die anderen bei ihren Tests unterstützt habe, teils mit dem Schmelzen von Schnee zur Trinkwasserversorgung beschäftigt war und teils auch einfach im warmen LKW sitzen konnte, um ein wenig Musik zu hören und es einfach mal zu genießen, an was für einem so besonderen Ort man gerade ist.

 

4. Geburtstag auf dem Eis

Mittwoch war dann noch einmal volles Programm. Heidi hat beim allmorgendlichen Telefonat Eisbohrkerne bestellt, die wir von Hand ziehen mussten. Da das ein Weilchen dauert und auch einiges an Muskelkraft kostet, haben Sasha Gukov und ich gleich nach dem Frühstück damit angefangen. Als der zweite Kern fast fertig gebohrt war, kam der Hubschrauber eingeschwebt. Nachdem ich einige Geburtstagsglückwünsche entgegen nehmen durfte, folgten dann weitere Experimente und die Endmontage der Wetter¬stationen. Insgesamt eine ansehnliche Station mit vertretener Geochemie, Biologie, Meteorologie, Ozeanographie und Eisphysik. Da der LKW schon etwas früher losfahren musste (um noch im Hellen zurück in Tiksi zu sein) und Professor Alfred Helbig mich noch für die letzten Handgriffe an den Wetterstationen gebraucht hat, konnte ich mit dem Hubschrauber zurückfliegen. Da anstatt sechs bis sieben Stunden im LKW nur ca. 30 Minuten im Hubschrauber zu verbringen waren, konnte ich mir das schönste Ge¬burtstagsgeschenk schon vor den anderen erfüllen: Nach vier Tagen endlich eine heiße Dusche!

Aufs Eis mit Russen? Immer wieder gerne!

Daniel


Es wurde bis spät abends gearbeitet, aber vor solch einer Kulisse vergisst man schnell die Zeit.


Eisphysiker am Werk. Links beim Vermessen von dynamischer Eisveränderung durch Druckbelastung (hier durch den LKW). Rechts wird ein Eisbohrkern vermessen und für Labortests vorbereitet.

 

Tiksi, 12. April 2012

Ozeanographische Verankerung erfolgreich geborgen

Die Verankerung „Central station“ mit vier CTDs und einem akustischem Strömungsmesser hatten wir am Anfang der Expedition im Festeis ca. 60 km östlich des Lena-Deltas verankert. Insgesamt hat die Messkette 16 Tage (im Sekundentakt) Meeresströmungen sowie Veränderung der Dichteverteilung in der Wassersäule registriert. Ein Ziel dieser Messungen ist es herauszufinden, welchen Einfluss Stürme auf die Wassersäule unterhalb der fast zwei Meter mächtigen Festeisdecke haben.

Gestützt durch den Umweltsatelliten „Envisat“ haben unsere Felduntersuchungen gezeigt, dass das Festeis im Gebiet von Station „Central“ vor vier Monaten in Küstennähe gebildet wurde und danach nach Osten ins tiefere Wasser getrieben ist. Die Kinderstube des Eises hat deutliche Spuren hinterlassen, denn die oberen 70 cm des Festeises sind durchzogen von Schichten mit Sedimenteinschlüssen, es ist sogenanntes schmutziges Meereis. Die Bildung und der Transport von schmutzigem Meereis sind ein wichtiger Prozess für den Sedimenttransport im Nordpolarmeer.


Schmutziges Meereis in Eiskernen der östlichen Laptev-See.


Geborgen ... Nach schweißtreibenden Stunden und acht Eislöchern, jedes etwa 160 cm tief, konnte die Verankerung „Central station“ am Donnerstag erfolgreich geborgen werden.

 

 

Tiksi, 16. April 2012

Heute bekam die Expedition Besuch von der deutschen Botschaft in Moskau. Der Ständige Vertreter des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland, Herr Dr. Birgelen, Frau Birgelen und der Leiter des Referats für Wissenschaft und Bildung der Botschaft, Herr Heinz, werden die Expedition vier Tage begleiten, um sich vor Ort ein Bild über die bilaterale Kooperation im Bereich der Polar- und Meeresforschung zu machen. Schon am ersten Tag nach der Ankunft in Tiksi wurden die Gäste in die Stationsarbeiten einbezogen und mussten der Expedition auf das Festeis nahe der Polynja folgen.

 

 


Gleich geht es aufs Eis. Herr Dr. Birgelen (rechts), Frau Birgelen und Herr Heinz nach dem Frühstück vor der „Expeditionskantine“. Im Restaurant „Sever“ werden alle Expeditionsteil¬nehmer morgens und abends bestens verköstigt.

 

Tiksi, 21. April 2012

Auf dünnem Eis: Am Freitag, dem 20.04. fand der seit langem geplante Eisdickenmessflug über dem Packeis nördlich der Festeiskante statt. Die Eisdicke lässt sich mit dem BIRD, einem Instrument, das vom Helikopter in etwa 15 m Höhe über die Eisoberfläche geschleppt wird, ermitteln.

Perfekte Wetterbedingungen, d.h. geringe Windgeschwindigkeiten und blauer Himmel, ermöglichten uns einen 150 km langen Flug nach Norden und zurück. Das gemessene Eis war im Vergleich zu früheren Messungen überraschend dünn (30 bis 50 cm). Ein Indiz für hohe Eisproduktionsraten in den Monaten davor. Die Messdaten sollen nun zur Verbesserung von Satellitendaten und Klimamodellen beitragen.


Eisdickenmessgerät (BIRD) 15 m über dem Festeis der Laptev-See im Einsatz.


Torben Klagge bereitet den BIRD für den Einsatz vor.

 

 

Tiksi, 22. April 2012

Rückkehr zum Camp South

Nachdem wir Anfang April die Wetterstationen am Camp South installiert hatten, war es nun an der Zeit, die Geräte vom Eis zu holen. Die Wetter¬sta¬tio¬nen hatten 24 Stunden durch¬gemessen, also sollte ein schö¬ner Datensatz mit einer kurzen, aber interessanten Zeitreihe auf uns warten. Da für die ganze Woche das Wetter als eher mäßig angekündigt war, hatten wir uns auf einen kalten, win¬digen Tag auf dem Eis vorbe¬reitet. Aber das Tiefdruck¬gebiet machte sich schneller als gedacht aus dem Staub und es war sonnig und gefühlt warm. Natürlich war es deutlich unter 0°C, aber mit der dicken Polarkleidung war es dann doch wirklich angenehm.

Dank der guten Teamarbeit lief der Abbau lief wie am Schnürchen. An der Stelle nochmal vielen Dank an Valeriya Selyuzhenok (AWI), Sergei Kirillov (AARI) und Viktor Vizitov (AARI) für die vielen helfenden Hände. Dadurch konnten Alfred Helbig und ich (Universität Trier) die drei Stationen in weniger als zwei Stunden abbauen. Auch die übrigen Arbeiten wurden zügig durchgeführt, und die geplanten vier Stunden auf dem Eis wurden auf etwa 2 ½ verkürzt.

Ein wenig wehmütig stiegen wir schon in den Hubschrauber, da es für die meisten von uns der letzte Flug während dieser Expedition war. In wenigen Tagen und nach viel Packerei geht es dann wieder zurück in die Heimat. Auf Wiedersehen, Tiksi.

Daniel

 

 


Ganz entblößt: Die Strahlungsstation ohne Sensoren.

 

Tiksi, 23. April 2012

Die letzten zwei Tage wurde nur noch gepackt und das bei strahlendem Sonnenschein, den wir seit Anfang der Expedition fast durchgehend haben. Insgesamt 3 Tonnen Fracht warten jetzt auf den Rücktransport nach Sankt Petersburg und Deutschland.

Wir sind jetzt auf dem Weg zum Flughafen und in ca. 2 Stunden geht es in Richtung Süden nach Jakutsk. Hier werden wir einen Zwischenstop einlegen und morgen früh gegen 10:00 weiter nach Moskau fliegen.

Gut gelaunt freuen wir uns auf den Frühling in Deutschland.

Tschüss Tiksi, hallo Deutschland


Die Expeditionsteilnehmer in Tiksi (Sonne bei -12°C).